ADHS, rechtliche Fragen und Aspekte
ADHS – Delinquenz – Psychopathie
(siehe auch S. Schildbach 2006)
Langzeitfolgen eines nicht behandelten ADHS:
- Schlechtere Schulleistungen
- Familiäre Probleme
- Vermehrte sexuelle Kontakte
- Höhere Rate unerwünschter Schwangerschaften
- Signifikant häufiger Verkehrsunfälle
- Häufiger Bußgeldbescheide und Führerscheinentzug
- Neigung zu Substanzmissbrauch
- Höhere Komorbidität
Milwaukee-Young-Adult-Outcome-Study
Personen mit ADHS hatten (gemessen am Begabungsniveau):
- weniger qualitativ hochwertige Schul- und Berufsabschlüsse
- wurden häufiger vom Unterricht suspendiert
- hatten mehr verschiedene Beschäftigungsverhältnisse
- ein höheres Risiko für Unfälle
ADHS – Dissoziale Persönlichkeitsstörung
Schwere Störungen des Sozialverhaltens
Delinquenz im Jugendalter
Dissoziale Persönlichkeitsstörung im Erwachsenenalter
(Impulsivität, Verantwortungslosigkeit, "Fehlen" von Mitleid, Lügen, Stehlen, Prügeln)
ADHS - Psychopathie
ADHS
Dissoziales Verhalten
Mangel bzw. Fehlen von Empathie
Psychopathie
(schlechte Kriminal- und Sozialprognose)
Neurobiologische Grundlagen
Präfrontaler Cortex
Zusammenspiel von Aufmerksamkeit, Erregung und Gefühle
Zentrum für die Empfindung von Mitleid, das Gewissen und das Einfühlen in Mitmenschen
(z.B. Gefühl des Bedauerns beim Glücksspiel, Zusammenhang zwischen Volumen und Scores von Psychopathiescalen)
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ADHS und Kriminalität
ADHS als valider Prädiktor für Kriminalität
- Cambridge-Studie: Prävalenzraten für ADHS bei Gefängnispopulationen bis zu 72%
- Mannheimer Längsschnittstudie: ADHS in der Kindheit als signifikanter Prädiktor für spätere Rezedivdelinquenz
- Bei deutschen Untersuchungen liegen die Prävalenzraten von ADHS bei Häftlingen/Straftätern um die 40%
- Zwischen verschiedenen Deliktformen sollen unterschiedliche ADHS-Prävalenzen bestehen
- ADHS'ler machen häufig schon vor Eintritt der Strafmündigkeit mit Delinquenz auf sich aufmerksam
Strafrechtliche Begutachtung
- Einfaches ADHS eher selten in forensischen Populationen
- Maßstäbe der Beurteilung bei Persönlichkeitsstörungen sollten verwendet werden
- Störung der Unrechtseinsichtsfähigkeit steht selten zur Debatte
- Verminderung der Steuerungsfähigkeit wäre zu diskutieren
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ADHS im Straßenverkehr
(siehe auch Strohbeck-Kühner et al. 2006, Häßler et al. 2008)
- ADHS steht noch nicht in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung als eine der diese ausschließende Erkrankung
- Betrachtet man aber die Kernsymptome des ADHS, sind viele der zentralen verkehrsrelevanten Leistungsfunktionen betroffen
(siehe auch "Anforderungsmodell an Kraftfahrer" von Michon)
- Hinzu kommen die hohe psychiatrische Komorbidität sowie der häufig angetroffene Substanzmissbrauch
Streng gesehen müsste bei einem unbehandelten ADHS die Fahrtauglichkeit
in Frage gestellt und
im Zweifelsfall eine MPU initiiert werden!
- Methylphenidat hat einen signifikanten positiven Effekt auf Kernsymptome des ADHS und damit die fahreignungsrelevanten Leistungen
- Studien konnten zeigen, dass sowohl am Fahrsimulator als auch in der realen Situation unter MP signifikant weniger Fehler gemacht wurden
es fanden sich keine Unterschiede zwischen behandelten ADHS und gesunden Kontrollen! (z.B. Cox et al 2000, 2004)
- Retardpräparate scheinen dem unretardierten Methylphenidat gegenüber von Vorteil, da keine starken Schwankungen der Plasmakonzentration auftreten
Aber – Teilnahme am Straßenverkehr unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln?
- Eine strafrechtlich Verurteilung bei Fahrten unter Btm setzt den Nachweis relativer Fahruntüchtigkeit voraus
- Verkehrsrechtliche Konsequenzen sind bei Nachweis der Rechtmäßigkeit der Einnahme von Methylphenidat
(durch Vorlage eines Rezeptes oder einer ärztlichen Bescheinigung) nicht zu befürchten
- Bei versicherungsrechtlichen Streitigkeiten bleibt zu befürchten, dass findige Anwälte der gegnerischen Versicherung bei Kenntnis einer MP-Einnahme die Fahrtüchtigkeit anzweifeln könnten
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